Mias Geschichte – 7.
Mias Geschichte – 7.
Am Freitag rief Judith vormittags noch einmal bei Mia an und fragte, ob für den Nachmittag alles bereit wäre und daß sie schon ein Taxi bestellt habe, das beide zum Flughafen bringen solle. Mia sagte zu Judith am Telefon, sie wäre schon ganz aufgeregt und könne es kaum erwarten, dis es endlich losgeht. Pünktlich um 16.00 Uhr hielt das Taxi vor Mias Tür und diese hatte wohl schon sehnsüchtig darauf gewartet, denn sie kam zur Tür herausgestürmt, noch bevor Judith die Taxitür öffnen konnte. Beide saßen hinten, und Mia gab Judith wie immer zur Begrüßung einen dicken Kuß auf den Mund, was der Taxifahrer mit einem Zucken der Augenbraue zur Kenntnis nahm. Sie brauchten eine Zeitlang, um aus der Stadt zu kommen, freitags nachmittags war viel Verkehr. Doch sie schafften es, pünktlich auf dem Flughafen zu sein, checkten ein und gingen in den Passagierwarteraum. Als der Flug aufgerufen wurde, gingen sie langsam zum Gate und stiegen in die Maschine. Sie hatten Glück, der Flieger war ziemlich leer. Judith freute sich darüber, wollte sie doch Mia mit den Gepflogenheiten auf der Insel bekannt machen.
Nach dem Start saß Mia noch eine Weile aus dem Fenster, aber leider war das Wetter nicht so gut, und so konnte man von oben bald nur noch Wolken sehen. Die Stewardessen verteilten Getränke, Mia und Judith ließen sich ein Glas Sekt reichen, um auf den ersten gemeinsamen Urlaub anzustoßen. Dann sagte Judith: „Liebste, laß uns die Flugzeit nutzen, daß ich dir etwas über unsere Insel erzählen kann.“ Judith, Liebste“, sagte Mia, „warum sagst du immer unsere Insel“. Nun begann Judith zu erzählen, und Mia stand dabei manchmal vor Staunen der Mund offen: „Meine Mutter war Halbgriechin“, begann Judith ihre Erzählung, „ihre Familie hatte in Griechenland viele Ländereien, zu diesen gehörte unter anderem die Insel, auf der wir unseren Urlaub verbringen werden. Meine Mutter ist bereits von 10 Jahren an einer langwierigen Krankheit gestorben, nachdem meine Schwester Jasmin sie zwei Jahre gepflegt hatte.
Mein Vater starb bereits, als wir noch ganz klein waren, an ihn habe ich kaum Erinnerungen. Während meine Mutter, die wie ich Psychologin war, von meiner Schwester lange gepflegt werden mußte, studierte ich. Nach Mutters Tod erbten wir ein nicht unerhebliches Vermögen, aber unter anderem auch die kleine Insel, zu der wir unterwegs sind. Meine Schwester wollte alles verkaufen, um sich nach den Jahren der Pflege meiner Mutter ein schönes Leben zu machen. Mühsam konnte ich sie überreden, daß wir uns den Nachlaß erst mal ansahen, und so kam es, daß ich mit meiner Schwester den Besitz erst einmal erkunden wollte. Meine Schwester fragte mich, ob es mich stören würde, wenn sie jemand auf der Reise begleiten würde und ich sagte ihr, nur wenn ich auch jemanden mitbringen darf. Ich war damals grenzenlos in eine Frau verliebt, die ganz anders war als du. Alles tat sie geplant, auch diese Reise hat Eva organisiert.
Ich hatte sie bei einem Seminar kennengelernt, wir hatten den gleichen Beruf. Wir trafen zuerst in Griechenland ein und als wir meine Schwester vom Flughafen abholten, hatte ich ein Grummeln im Magen, weil ich nicht wußte, wie Jasmin reagieren würde, wenn ich mit einer Frau zusammenwäre. Doch dann mußte ich nur verdutzt schauen, ihr ging es genauso. Ihre Begleiterin hieß Stefanie, wurde aber von ihr nur Steffi gerufen. Wir umarmten uns, begrüßten per Handschlag die jeweilige Freundin und machten uns auf den Weg zu unserem Wagen. Am nächsten Morgen ließen wir uns von einem Schiff, das die kleinen Inseln abklapperte, übersetzten und kamen nach fünf Stunden an. Wir wußten, daß es auf der Insel zwei Bauernhöfe gab, aber nur in einem lebte noch eine alte Bauersfrau, die Kinder waren in die Stadt gezogen, die Insel war zu einsam.
Meine Schwester meinte, daß die Einsamkeit für sie ideal wäre, so könnte sie mit Steffi turteln, wo und wie sie wolle, mußten sie doch im letzten Jahr ihre Beziehung geheimhalten. Um ihren Standpunkt zu dokumentieren, nahm sie Steffi in den Arm und drückte ihr einen dicken Kuß auf die Lippen. Wir genossen ein paar Tage auf der Insel, vor allem genossen wir es, daß keiner uns Frauen neugierig oder abweisend nachschaute, wenn wir verliebt miteinander beschäftigt waren. Die alte Frau hielt sich diskret zurück, wir beiden Paare konnten uns miteinander richtig austoben. Am letzten Abend sagte Jasmin, daß sie es schade fände, die Insel zu verkaufen, aber nur, um ein paar Tage im Jahr unbeschwert Urlaub zu machen, wäre das Instandhalten der Gebäude wohl zu teuer.
Es war Eva, die ihre Gedanken dazugab und wie immer hatte sie bereits einen festen Plan ausgearbeitet, der wie folgt aussah: Jasmin, sagte sie, du hast doch bis jetzt keine Pläne, was genau du machen sollst. Ich schlage dir vor, bleib hier. Nichts für ungut, sagte Jasmin, aber auch wenn meine süße Steffi bei mir bleibt, ist es doch auf die Dauer etwas zu einsam. Laß mich bitte ausreden, erwiderte Eva, du sollst dich ja nicht auf der Insel verstecken, ich stelle mir vor, daraus eine Ferieninsel für Frauen zu machen. Hosen haben keinen Zutritt. Wenn ihr einen Teil eueres Kapitals in die Renovierung der Gebäude investiert und das ganze so ausbaut, daß es für lesbische Pärchen ansprechend ist, könnt ihr euch sicher vor Urlauberinnen nicht retten. Ihr braucht dazu, so glaube ich, nur eine einzige Werbekampagne, dann spricht sich euer Feriendomizil unter Eingeweihten von selbst herum. Ich war skeptisch, doch Jasmin schien glücklich zu sein, wieder eine Aufgabe gefunden zu haben, so daß ich dem Plan ebenfalls zustimmte.
Wir hängten an unseren Urlaub noch eine Woche an, um unseren Plan konkret werden zu lassen. Meine Bedingung war, daß alles wenn schon, dann richtig professionell vonstatten gehen sollte. So hatte Jasmin in den nächsten Monaten alle Hände voll zu tun: Eine Architektin mußte gefunden werden, wir brauchten die richtige Beratung, was touristisch angesagt war, kurzum vieles mußte erledigt werden. Nach einem halten Jahr konnten wir die Eröffnung feiern, und Eva überraschte mich damit, daß sie hinter meinem Rücken mit Jasmin für uns beide die erste „Lesbenhochzeit“ auf der Insel geplant hatte. Jasmin hatte für mich ein Brautkleid ausgesucht, und so trat Eva am letzten Morgen unseres Eröffnungsurlaubes vor mich uns sagte zu mir: Schnuckelchen, nächste Woche muß ich eine längere Auslandsreise unternehmen, da ich gebeten wurde, bei Verhandlungen zwischen einer Rebellenorganisation und Regierung eines südamerikanischen Landes die Rolle des unparteiischen Schlichters zu übernehmen. Ungern lasse ich dich längere Zeit alleine. Ich liebe dich über alles und wenn du mir erlaubst, möchte ich das zumindest symbolisch ausdrücken, indem wir beide heute hier unsere Hochzeit feiern.
Gerührt fiel ich ihr in den Arm und sagte: Ich werde dich immer lieben, verhandle ganz schnell, damit du bald wieder bei mir bist. Für die Hochzeit hatte sich Jasmin einige Besonderheiten einfallen lassen, so wurden Braut und Braut mit einer Kette am linken Bein der einen und am rechten Bein der anderen zusammengekettet. Eva und ich konnten uns nur noch gemeinsam bewegen. Unsere Hochzeit war ein schönes und erhebendes Fest, und wenn es auch rechtlich keine Wirksamkeit hatte, so fühlte ich mich mit Eva doch verbundener denn je. Nie kam ich auf den Gedanken, sie zu betrügen, obwohl die Verhandlungen sich immer länger hinzogen. Wir schrieben uns glühende Liebesbriefe, denn telefonieren war oft nicht möglich.
Eines Tages wurde in den Nachrichten verkündet, daß die Verhandlungen erfolgreich waren und am nächsten Tag sollte eine Feier mit der Vertragsunterzeichnung stattfinden. Die meisten der Rebellen, eine Abordnung der Regierung und meine Eva waren bereits in dem Gebäude versammelt. Kameras übertrugen die ersten Bilder vom Festbankett. Dann blieb mir das Herz stehen, mitten in der Feier explodierte der ganze Saal. Die Regierung hatte die ganzen Verhandlungen nur als Finte geführt und wollte nur möglichst viele der Rebellen an einen Fleck bringen, um diese dann zu vernichten. Sie vernichteten aber nicht nur die Rebellen, von Eva gab es nicht einmal eine Leiche. Teile ihres Kopfes wurden gefunden und konnten nur anhand ihres Gebisses identifiziert werden. Ich fiel in ein tiefes Loch.
Wochenlang saß ich zu Hause und heulte mir die Augen aus dem Kopf. Eines Tages besuchte mich ein Kollege, um mit mir zu reden. Eine Woche führten wir jeden Abend lange Gespräche, dann war ich wieder bereit, mich dem Leben zu stellen. Ich wollte noch eine Woche ungestört auf unserer Insel verbringen, um dann wieder mit meiner Arbeit zu beginnen. Die Insel hatte sich verändert – überwall waren Frauen unterwegs. Das wollten wir ja, aber was ich nicht wollte, ist an jeder Ecke von einer Frau angemacht zu werden. Ich wollte einfach meine Ruhe haben. Mia hatte meine Hände in ihre genommen, Tränen liefen ihr über die Wangen: „Du arme, was hast du schon alles durchmachen müssen. Und ich quäle dich mit meinen kleinen Ängsten“. „Ach Liebste, “ sagte Judith, „wer Leid erlebt hat, kann anderen auch besser im Leid helfen.“
„Doch jetzt laß uns darauf eingehen, was du heute noch erleben wirst. Ich hatte Jasmin angeraunzt, daß man auf dieser Insel jetzt zwar keine Männer zu befürchten hatte, aber auch vor keiner Frau sicher wäre. Jasmin dachte darüber nach und hat im Laufe der Zeit einige Regeln erlassen, nach denen das Leben auf der Insel funktioniert. Die erste Regel lautet: Jede soll an ihrem Halsband zu erkennen sein. Frauen, die als Single auf die Insel kommen und hauptsächlich Abenteuer mit anderen Frauen erleben wollen, erhalten ein weißes Halsband: Sie dokumentieren damit, daß sie immer auf der Suche sind und wollen selbst jederzeit angesprochen werden. Frauen, die nur ihren Urlaub auf der Insel verbringen wollen, aber nicht ständig auf Abenteuer aus sind, erhalten ein gelbes Halsband.
Frauen, die mit ihrer Liebsten kommen, einem Abenteuer zu mehreren aber nicht abgeneigt sind, erhalten ein grünes Halsband. Es wird erwartet, daß sie nur als Pärchen angesprochen werden. Versucht eine gelbe oder weiße die Trägerin eines grünen Halsbandes alleine anzusprechen, zieht das eine Bestrafung nach sich. Liebespaare, die nur einen gemeinsamen Urlaub in angenehmer Atmosphäre, also ohne die störenden Schwanzträger, verbringen wollen, ohne ständig von anderen angemacht zu werden, entscheiden sich für ein rotes Halsband. Mit ihnen unterhält man sich nur im Speisesaal und in der Tanzbar, das sind auch die beiden einzigen Räume, in denen Liebesspiele nicht geduldet werden, An allen anderen Orten kann jede ungestört ihren Liebesspielen nachgehen.
Es gibt noch zwei Arten von Halsbändern, zuerst die schwarzen: sie sind reserviert für Herrinnen und deren Sklavin, wobei die Sklavinnen schwarze Lederhalsbänder mit Ringen erhalten. Sprich nie eine Sklavin an, ohne die Erlaubnis ihrer Herrin. Die letzte Farbe, in der es Halsbänder gibt, ist blau. Blaue Halsbänder erhalten Paare, die sich während ihres Aufenthaltes auf der Insel keinen Moment voneinander trennen wollen. Sie werden mit einer 3-Meter- Kette aneinandergekettet. Ihre Möse wird mit einem kleinen Vorhängeschloß verschlossen, den Schlüssel erhält die Partnerin. Blauen Paaren ist es nicht einmal möglich, getrennt die Toilette zu besuchen. Blaue Paare sind sehr selten. Meist wollen sie sich prüfen, ob sie es aushalten, über einen längeren Zeitraum ständig zusammensein zu können. Am vorletzten Tag können die blauen Paare ihre Hochzeit feiern. Sie dürfen dann in Zukunft aber nur noch als blaue Paare auf der Insel weilen. Heute Abend mußt du entscheiden, welche Farbe du wählst. Ich werde mich dir anschließen.“